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  2. 2

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  3. 3

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  4. 4

    Reinhard Mey - Keine ruhige Minute

  5. 5

    Reinhard Mey - Mein Apfelbäumchen

  6. 6

    Reinhard Mey - Der Wind Geht Allezeit Über Das Land

  7. 7

    Reinhard Mey - Nein, Meine Söhne Geb Ich Nicht

  8. 8

    Reinhard Mey - Frohe Weihnacht

  9. 9

    Reinhard Mey - Sommermorgen

  10. 10

    Reinhard Mey - Aber Zu Haus Kann Ich Nur In Berlin Sein

  11. 11

    Reinhard Mey - Laßt Sie Reisen

  12. 12

    Reinhard Mey - Gretel und Kasperle, Großmutter, Wachtmeister und Krokodil

  13. 13

    Reinhard Mey - Über den Wolken

  14. 14

    Reinhard Mey - Ich hasse Musik

  15. 15

    Reinhard Mey - Zeugnistag

  16. 16

    Reinhard Mey - Und Nun Fängt Alles Das Noch Mal Von Vorne An

  17. 17

    Reinhard Mey - Berlin Tut Weh

  18. 18

    Reinhard Mey - Es ist doch ein friedlicher Ort

  19. 19

    Reinhard Mey - Das Foto vor mir auf dem Tisch

  20. 20

    Reinhard Mey - Es Ist Weihnachtstag

  21. 21

    Reinhard Mey - Du Mußt Wahnsinnig Sein!

  22. 22

    Reinhard Mey - M(e)y English Song

  23. 23

    Reinhard Mey - Die Zeit des Gauklers ist vorbei

Zeugnistag

Reinhard Mey

Ich denke, ich muß so zwölf Jahre alt gewesen sein,
Und wieder einmal war es Zeugnistag.
Nur diesmal, dacht' ich, bricht das Schulhaus samt Dachgestühl ein,
Als meines weiß und häßlich vor mir lag.
Dabei war'n meine Hoffnungen keineswegs hoch geschraubt,
Ich war ein fauler Hund und obendrein
Höchst eigenwillig, doch trotzdem hätte ich nie geglaubt,
So ein totaler Versager zu sein.

So, jetzt ist es passiert, dacht' ich mir, jetzt ist alles aus,
Nicht einmal eine 4 in Religion.
Oh Mann, mit diesem Zeugnis kommst du besser nicht nach Haus,
Sondern allenfalls zur Fremdenlegion.
Ich zeigt' es meinen Eltern nicht und unterschrieb für sie,
Schön bunt, sah nicht schlecht aus, ohne zu prahl'n!
Ich war vielleicht 'ne Niete in Deutsch und Biologie,
Dafür konnt' ich schon immer ganz gut mal'n!

Der Zauber kam natürlich schon am nächsten Morgen raus,
Die Fälschung war wohl doch nicht so geschickt.
Der Rektor kam, holte mich schnaubend aus der Klasse raus,
So stand ich da, allein, stumm und geknickt.
Dann ließ er meine Eltern kommen, lehnte sich zurück,
Voll Selbstgerechtigkeit genoß er schon
Die Maulschellen für den Betrüger, das mißrat'ne Stück,
Diesen Urkundenfälscher, ihren Sohn.

Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich an
Und sagte ruhig: „Was mich anbetrifft,
So gibt es nicht die kleinste Spur eines Zweifels daran,
Das ist tatsächlich meine Unterschrift."
Auch meine Mutter sagte, ja, das sei ihr Namenszug.
Gekritzelt zwar, doch müsse man versteh'n,
Daß sie vorher zwei große, schwere Einkaufstaschen trug.
Dann sagte sie: „Komm, Junge, laß uns geh'n."
Ich hab' noch manches langes Jahr auf Schulbänken verlor'n
Und lernte widerspruchslos vor mich hin
Namen, Tabellen, Theorien von hinten und von vorn,
Daß ich dabei nicht ganz verblödet bin!
Nur eine Lektion hat sich in den Jahr'n herausgesiebt,
Die eine nur aus dem Haufen Ballast:
Wie gut es tut, zu wissen, daß dir jemand Zuflucht gibt,
Ganz gleich, was du auch ausgefressen hast!

Ich weiß nicht, ob es Rechtens war, daß meine Eltern mich
Da rausholten, und wo bleibt die Moral?
Die Schlauen diskutier'n, die Besserwisser streiten sich,
Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal.
Ich weiß nur eins, ich wünsche allen Kindern auf der Welt,
Und nicht zuletzt natürlich dir, mein Kind,
Wenn's brenzlig wird, wenn's schiefgeht, wenn die Welt zusammenfällt,
Eltern, die aus diesem Holze sind.

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